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Digitales Leben nach dem Tod

Wenn das reale Leben endet, gilt das nicht zwingend für die virtuelle Existenz. Das kann positive und tröstende Seiten für die Hinterbliebenen haben – aber auch dramatische Folgen. Deshalb ist Vorsorge auch für den „digitalen Tod“ essenziell.

Digitales Leben nach dem Tod

Trauer im digitalen Zeitalter

010101000110111101100100 – so schreibt sich das Wort „Tod“ als Binärcode, in der Sprache der digitalen Welt. Aus drei Zeichen werden 24. Was das bedeutet? Es könnte kompliziert werden. Denn im vermutlich unsterblichen Internet fehlt es offenkundig noch an Erfahrung mit dem Tod. Einerseits finden Hinterbliebene im World Wide Web zwar durchaus Rat, Hilfe und auch Möglichkeiten, ihre Trauer auszuleben. Auf der anderen Seite wirft der Tod im Web oft enorme praktische Probleme auf, die manchen Hinterbliebenen gar zu illegalen Handlungen zwingen.

Dieses Szenario beschreibt etwa die Londoner Psychologin Elaine Kasket, die seit Jahren zu den Themen Trauer und Tod im Digitalzeitalter forscht. In einem Interview mit der Online-Ausgabe von „The Guardian“ beklagt sie, dass sich Hinterbliebene oft mit Hackermethoden oder fremden Passwörtern Zugang zu den Daten ihrer Verstorbenen verschaffen, wenn die keine geeignete Vorsorge getroffen haben. In ihrem Buch „All the Ghosts in the Machine: The Digital Afterlife of your Personal Data” führt sie aus, welche juristischen und sozialen Probleme sich aus unserer wachsenden digitalen Vernetzung nach dem Tod ergeben. So schildert sie etwa den Fall von Hollie Gazzard, die von ihrem Ex-Freund ermordet wurde: Deren Eltern bekamen keinen Zugriff auf das Facebook-Profil ihrer toten Tochter – und so blieben auch alte Fotos mit ihrem späteren Mörder online.

Vorsorge ist sinnvoll

Dass Fragen zum digitalen Ableben von brennender Relevanz sind, belegt eine aktuelle Studie des Oxford Internet Institute. Darin kommen Carl Öhmann und David Watson zu dem Schluss, dass in 50 Jahren weniger als die Hälfte der Facebook-Profile zu toten Menschen gehören werden. Statistisch betrachtet werden mindestens 1,4 Milliarden heutige Facebook-User das Jahr 2100 nicht erleben. Sollte das Netzwerk weiter wachsen, könnten es auch bis zu 4,9 Milliarden werden.

Nun ist es nicht so, dass Facebook den möglichen Tod seiner Nutzer nicht im Blick hat. Auf Antrag und unter Vorlage etwa der Sterbeurkunde versetzt Facebook die Profile Verstorbener in den „Gedenkzustand“ – es erscheint dann „In Erinnerung an“ den Verstorbenen. Wurde zu Lebzeiten ein „Nachlasskontakt“ benannt, darf dieser posthum noch einige Anpassungen am Profil vornehmen, etwa eine letzte Nachricht veröffentlichen oder auf die Beisetzung hinweisen. Auch die Entfernung des Kontos kann auf diesem Weg angefordert werden.

Weil aber viele „digitalen Leben“ weit über Facebook hinausgehen, bieten Dienstleister wie LastHello oder Exmedio komplette Vorsorgelösungen für das Ende der eigene Online-Existenz an. 

Trost und Trauer mit Webanschluss

Sind all die „technischen“ Fragen rechtzeitig geregelt, kann das Internet für Hinterbliebene in vielerlei Hinsicht hilfreich sein. Allein der Austausch und die Anteilnahme über soziale Medien und Netzwerke sind in schweren Zeiten für viele Menschen eine Stütze. Selbst archivierte Online-Chats sind für viele Trauernde von großem Wert, fand die britische Soziologin Debra Bassett heraus, weil sie aus ihrer alltäglichen Banalität heraus Trost spenden können. Daneben helfen im Netz zahlreiche Ratgeberseiten oder Selbsthilfeportale, das Leben mit allen Sorgen wieder in den Griff zu kriegen oder mit anderen Betroffenen in Kontakt zu kommen.

Und manchmal kann die sogar die eigene Trauerarbeit zu einem bewegenden Online-Angebot werden, wie das Blog „22monate“ zeigt. Darin zeichnen die jungen Eltern Anne und Uli Neustadt das kurze Leben ihres kranken Sohnes Josef nach, und auch wie sie mit diesem Verlust klarkommen.

Selbst auf dem Friedhof, wo Mobiltelefone oft noch als unschicklich gelten, ist die Vernetzung schon angekommen. Wenn die wenigen Zeilen auf Marmor oder Granit nicht genügen, kann man sich inzwischen auch für einen Grabstein mit QR-Code entscheiden, wie sie etwa der Kölner Steinmetz Andreas Rosenkranz fertigt. Die Idee dazu kommt aus Japan, wo das Beerdigungsunternehmen Ishinokoe 2008 erstmals die quadratischen Pixel-Mosaiks auf Grabsteine anbringen ließ. Wer seine Smartphone-Kamera an den Code hält, gelangt dann auf eine Webseite, die weit mehr Raum für schöne Erinnerungen bietet als ein polierter Stein im Grünen.

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