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Männer weinen heimlich.
Männer brauchen viel Zärtlichkeit.
Männer sind so verletzlich.
Männer sind einsame Streiter.
Müssen durch jede Wand, müssen immer weiter.
Herbert Grönemeyer, „Männer“
Männer haben ihre Seilschaften, Frauen Netze.
Gräfin Fito
Trauer ist eine natürliche emotional-psychisch-seelische Reaktion auf eine Verlusterfahrung, welche die Sicherheit im Leben oder das bisherige Lebensgefühl grundlegend tangiert. Mann und Frau trauert also nicht nur bei einem Todesfall, sondern auch beim Verlust eines Arbeitsplatzes, einer familiären Gewissheit, bei Trennung, Kontaktabbruch, schwerer Diagnose (Verlust der Gesundheit) und vieles mehr. Trauern Männer da anders, weil sie andere Überlebensstrategien haben?
„Längere Aufwärmphase nötig“
Männer brauchen oft eine längere Aufwärmphase, über den Verlust eines geliebten Menschen zu sprechen bzw. eine Sprache für den Verlust zu finden, diagnostiziert der Trauerbegleiter Thomas Achenbach in seinem Buch «Männer trauern anders» (Patmos Verlag).
Während Frauen oft Gleichgesinnte in Trauercafés oder Trauergruppen suchten und sich dort aktiv einbringen, geben sich die Männer «oft zurückhaltend, bleiben schweigsam, reden wenig. Statt einer Trauergruppe könnte es auch ein Männertrauerstammtisch mit Currywurst und Bier» sein, wie es zum Beispiel die Familientrauerbegleiterin Mechtild Schroeter-Rupieper in Gelsenkirchen anbietet. «Weg vom Stuhlkreis, hin zum Tun und Machen»: Das hält der Trauerbegleiter Achenbach bei der männlichen Zielgruppe für den besten Weg. Oder aber – zum Beispiel für Witwer, die Hilfe beim Kochen und Bügeln benötigen, eine Koch- und Lerngruppe, oder gar einen Näh- und Haushaltskurs: auch dies könnte ein pragmatischer Weg der Trauerverarbeitung sein.
Aufgrund dieser Erfahrungen nennt Achenbach drei Thesen zur männlichen Trauer:
• Männer trauern im Geheimen; äußerlich ist das kaum erkennbar. „Statt über ihren Kummer zu sprechen, machen sie ihn lieber mit sich selbst aus.“
• Männer reden weniger über ihre Gefühle, jedenfalls solange sie sich nicht rundum wohlfühlen.
• Männer gehen mit dem Verstand an Themen wie Trauer und Verzweiflung heran, sie wollen Wissen sammeln.
„Empfindsamkeit war in Kriegszeiten lebensgefährlich“
Das heutige Männerbild sei schließlich immer noch geprägt vom 20. Jahrhundert, dem Jahrhundert der beiden Weltkriege. Da mussten Soldaten hart gegen sich und andere sein, um selbst zu überleben. „Zartheit und Empfindsamkeit bei Männern war in Kriegszeiten nicht gefragt, war verboten und lebensgefährlich“, schreibt Achenbach.
Auch der Fotograf und Buchautor Dr. Martin Kreuels beschäftigt sich mit der Frage, ob bzw. weshalb Männer anders trauern. Dabei verweist er auf unsere Evolutionsgeschichte. Viele Verhaltensweisen seien biologisch fixiert und ließen sich nicht einfach ändern. Durch die Unkenntnis komme es zwischen den Geschlechtern immer wieder zu Missverständnissen.
«Männer sind diejenigen, die mehr schweigen, Frauen sind die Kommunikativeren. Wenn wir jetzt ganz weit zurückgehen: Als der Mensch noch auf der Jagd war: wenn der Jäger geredet hätte in der Gruppe, wäre das Wild weg gewesen. Der Mann muss also ‘die Klappe halten, damit er an das Tier kommt’. Die Frau sitzt zuhause, hat die Kinder um sich herum, und ist permanent in der Kommunikation. Als dann die Menschen seßhaft wurden, hat der Mann den Acker bestellt – wieder alleine -, die Frau war im Haus, die Familie, die Kinder wieder um sich. Das haben wir Menschen über die vielen Jahrhunderttausende hinweg so gelernt, dass wir Männer stiller sind als die Frauen. Die Frauen können – das kann man neurophysiologisch nachweisen – mit beiden Gehirnhälften reden. Die Männer können nur ‘mit links’ reden….»
Traurige Männer, die dies zeigen, befürchten wohl, angreifbar zu sein oder eben die Trauer nicht unter Kontrolle zu haben. Männer lenken sich eher ab, während Frauen gerne darüber sprechen. Das fällt besonders ins Gewicht, wenn Paare trauern.
„Mütter und Väter trauern unterschiedlich beim Tod ihres Kindes“
Trotz der großen individuellen Variabilität des Trauerverlaufs gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass sich Männer und Frauen hinsichtlich ihrer Copingstrategien des Verlusts voneinander unterscheiden, was zu einer Belastung für die Partnerschaft führen kann. Während Frauen das Bedürfnis haben, über den Tod ihres Kindes zu sprechen, fällt es vielen Männern schwer, ihre Gefühle auszudrücken. Im Vergleich zu Frauen neigen Männer eher dazu, den Verlust des Kindes zu verleugnen oder sich durch ein erhöhtes Arbeitsengagement abzulenken, was wiederum zu Fehlinterpretationen der Frauen führen, wenn sie die Zurückhaltung ihres Partners, über den Verlust zu sprechen, als mangelnde Emotionalität und Empathie interpretieren. Viele Männer hingegen fühlen sich aufgrund der größeren Intensität und längeren Dauer der Trauerreaktionen ihrer Partnerinnen verunsichert. Um sie nicht zusätzlich zu belasten, versuchen sie, ihre eigenen Gefühle zu kontrollieren.
Unterschiedlichen Bewältigungsstrategien, die häufig zu beobachten sind:
Frauen / Mütter | Männer / Väter |
emotional | rational-logisch |
mehr reden |
mehr arbeiten / Fluchtmechanismen (Spiel, Sucht, Sex) |
Austausch mit bester Freundin | eher anonym in „Männergruppe“ |
persönliche Netzwerke | emotionale Unterstützung nur von Partnerin gesucht |
Ängste / Depressionen |
Wut (als Form von „Aktiv-sein“ vs. Hilfslosigkeit) |
mehr Schuldgefühle, Versagen | mehr Distanz (bei Fehlgeburt: noch nicht „Vater“) |
Verlust: konkret | eher abstrakt (konkret: Veränderung bei Partnerin) |
Sexualität: Erinnerung an Verlust | Sexualität: Nähe und Vertrautheit |
Beiden, den Müttern und den Vätern, ist aber eine Aufgabe gemeinsam: den Verlust zu betrauern, das Kind zu verabschieden, das Leben weiterhin zu bewältigen oder als Eltern nach wie vor präsent zu sein, wenn es noch Geschwister des gestorbenen Kindes gibt. Und irgendwie Worte und Rituale zu finden, für das, wofür uns eigentlich in allen Sprachen der Welt die Worte fehlen:
„Ein Mann, der seine Frau verliert, wird Witwer genannt, eine Frau, deren Mann stirbt, ist eine Witwe. Kinder, die ihre Eltern verlieren, heißen Waisen. Wie aber heißen Eltern, die ein Kind verloren haben?“ – so fragt sich der holländische Autor P. F. Thomese ein seiner biografischen Erzählung Schattenkind.
Verlusterfahrung gehören zu jedem Leben
Wenn Trauer keine Krankheit, sondern eine natürliche Reaktion auf eine Verlusterfahrung ist, so kann man sie auch, trotz der damit verbundenen seelischen Schmerzen, als Ressource wahrnehmen. Von daher lohnt es sich, in der Trauer über seinen Schatten zu springen und darüber zu sprechen, auch wenn es ungewohnt ist und einem am Anfang wirklich schwerfällt. «Ganz gleich, ob man viel oder wenig Worte über seine Trauer verliert: Es tut Männern und Frauen gleichermaßen gut.»
Wolfgang Weigand, freischaffender Theologe und Autor, CH-Winterthur
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