Die Tatsache, dass wir sterblich sind
In 30 Jahren Hospizengagement habe ich viel Erfahrung über das Sterben gesammelt und bin doch Lernende geblieben. Und wenn der Tod sich in den eigenen Freundes- oder Familienkreis schleichen will, kommt mein ganzes Wissen immer auf den Prüfstand und wird nicht selten brüchig. So in der Begleitung eines sehr engen Freundes, der durch eine schwere Krebsdiagnose plötzlich aus einem aktiven Leben hinauskatapultiert wurde. Die Diagnose Gallengangkrebs mit Metastasen im Bauchraum war geradezu ein Todesurteil. Alle Freunde aus der Hospiz- und Palliativszene sagen: Damit hat man wenig Chancen. Der erkrankte Freund will das so nicht wissen. Seine Wahrheit ist eine andere: Er will um sein Leben kämpfen und glaubt, dass er es mit guter ärztlicher Therapie schaffen wird. Zwei Wahrheiten stehen bei schweren Erkrankungen häufig nebeneinander: „Gegen diese Krankheit hat man keine Chance.“ und „Ich schaffe das.“ Dann stehen zwei Therapiewege (oder auch noch mehr) nebeneinander: Bei Krebserkrankungen die maximale Chemotherapie, um den Tumor möglichst hart zu bekämpfen. Oder eine ummantelnde palliative Therapie, die mit einer guten Symptomkontrolle für eine begrenzte Zeit ein Maximum an Lebensqualität ermöglicht. Kurativ versus palliativ! Der Freund hat sich für die Chemotherapie entschieden, die er nicht gut verkraftet. Jeder Millimeter, den der Tumor kleiner wird, gibt ihm die Kraft, die Begleiterscheinungen der Chemo auszuhalten.