5 Punkte zu mehr Resilienz
1. Bewusstsein über die eigene Resilienz:
Jede und jeder von uns kann aus dem Freundeskreis, Kolleginnenkreis oder aus der eigenen Geschichte von Resilienz-basierten Leistungen und Höchstleistungen erzählen. Das Problem bei uns selbst: wir vergessen oft, was wir schon alles an Trauerarbeit geleistet haben und unsere Resilienz unter Beweis gestellt haben: der Verlust des ersten Haustiers oder Kuscheltiers, der Verlust von Freundinnen und Freunden, ggf. ein Umzug (und Verlust von Heimat), missglückte Prüfungen oder Schuljahre, das Ende der ersten Beziehung, usw.. Verluste und Traueranlässe pflastern unseren Weg und machen uns widerstandsfähig für den nächsten Verlust. In dieser Hinsicht verweise ich Menschen in Trauer gerne auf diese enorme Anzahl und Vielfalt an Dingen, die sie bereits verloren oder aufgeben und betrauern mussten. Allein dieser Blick auf das Erreichte macht Mut für den aktuellen Verlustfall, schenkt Kraft und Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten.
2. Offenheit und Neugier:
Wir sind auf einer unerwünschten „Abenteuerreise“. Das Land, das ich als Trauernde*r betrete, ist Neuland. Wir waren nie oder nur sehr selten bisher in solch neuen Gefilden. Ich kann mich natürlich gegen diese Reise wehren und das Neue blöd finden. Aber mit einer Portion Offenheit für das Neue ist es leichter, mit den Herausforderungen umzugehen. Nach dem Motto: „Das Leben hat mir einen gewaltigen Prügel in den Weg geworfen. Ich bin gespannt, welche neuen Wege ich dadurch entdecke“.
3. Klarheit und Ruhe:
In diesen Bewusstseinszuständen kann ich als Trauernde*r auf meine innere Weisheit (bzw. Intuition) zurückgreifen. In einem Zustand von Ruhe und Klarheit sehe ich den nächsten, für mich passenden Schritt besser und schneller. Zum Beispiel: Ich kontaktiere einen alten Bekannten, der Ähnliches erlebt hat und mir Verständnis zeigen und Mut machen kann. Auf einen solchen, hilfreichen Gedanken komme ich aus der Ruhe heraus. Im Stress, in der Überanstrengung oder in der Erschöpfung fällt mir soetwas wahrscheinlich nicht ein. Für diese Klarheit und Ruhe kann es vor allem am Anfang einer stürmischen Trauerzeit sinnvoll sein, sich eine externe Begleitung als „Guide“ dazuzuholen.
4. Es muss sich stimmig anfühlen:
Jeder Schritt, den ich auf meinem Trauerweg mache, sollte mit einem Gefühl von Sicherheit, Hoffnung oder Erleichterung einhergehen – hinsichtlich sozialen Umfeldes, Freizeitaktivitäten und Tagesstruktur. Hilfreich ist da die Frage: Habe ich Menschen um mich herum, die mir gut tun, wähle ich eine Freizeitbeschäftigung, die mir Kraft gibt, finde ich einen Tagesrhythmus, der mir entspricht und gut tut? Mittelfristig kann auch die berufliche Tätigkeit, der Freundeskreis und/oder der Wohnort auf den „Wohlfühl-Prüfstand“ gestellt werden. Sich in ein möglichst gutes, stimmiges Gefühl zu bringen, ist essentiell in der Trauer und erhöht die Wahrscheinlichkeit für gute Entscheidungen.
5. Der spirituelle Weg.
Was meine ich damit? Nicht jeder Schritt muss aus eigener Kraft gegangen werden. Eine Anbindung an das Universelle, an ein Höheres Selbst, ans Universum, an Gott (oder wie man es auch nennen mag) wirkt wie ein Leuchtfeuer auf dem Weg. Ich fühle mich getragen, geleitet, ermutigt. Manche finden diese Unterstützung im Glauben und im Gebet, andere in der Natur, in Meditationen, in Jenseitskontakten oder in Lehren von alten Mystikern oder im Yoga. Das ist nichts Esoterisches, sondern etwas Fundamentales und ist für jede*n einzigartig. Meine persönliche Erfahrung ist, dass ein spiritueller Zugang die mächtigste Resilienz-Quelle ist.
Frau W. hat sich „ihrem Berg“ gestellt. Schon nach kurzer Zeit nach dem Tod ihres Mannes hat sie ein Hobby der Jugendzeit, das Nähen, wieder aufgegriffen (es hatte in der jahrzehntelangen Ehe keinen „Platz“ gehabt). Neben Spaß am Hobby kamen wertvolle Kontakte zu weiteren Näherinnen und ehemaligen Freundinnen zustande. Die Kontemplation und Freude beim Nähen hätten ihr unheimlich geholfen, den neuen Zustand anzunehmen. Sie sei froh, dass sie den Mut und die Neugier für Neues (und zugleich Bekanntes) hatte. Und: sie gehe wieder in die Kirche, was sie so viele Jahre ausgesetzt hatte. Es sei wie eine Kraftquelle, sagt sie.
Frau W. meint anerkennend, dass sie viel resilienter sei als sie jemals von sich geglaubt hatte.