Leichenschmaus, Beerdigungskaffee, Traueressen, Trösterkaffee, Totenmahl. Die Bezeichnung für das, was kulinarisch im Rahmen der Trauerfeierlichkeiten passiert, ist so unterschiedlich wie das, was dabei auf den Tisch kommt. Egal, wie wir es nennen – es ist ein uraltes Ritual, dessen Bedeutung heute oft verkannt wird. Ursprünglich ging es dabei auch darum, den von weither angereisten Trauergästen eine Stärkung zu servieren. Diese ganz praktische Funktion hat es in Zeiten von allzeit und überall präsenten Nahrungsangeboten verloren. Geblieben ist die andere, aus psychologischer Sicht essentielle Aufgabe: Sich gemeinsam mit anderen Menschen essend und trinkend des Verstorbenen zu erinnern, Anekdoten auszutauschen, auch zu lachen und so einen ersten Schritt zu tun zurück in den Alltag.
Ein Leichenschmaus gleicht einem Balanceakt. Einerseits ist da das seriöse Setting der Bestattung; andererseits soll das Leben gefeiert werden, indem die Trauernden zusammen essen, trinken und sich unterhalten. Und dann sind da noch die organisatorischen Fragen, für die viele Trauernde in ihrer Situation verständlicherweise keine Nerven haben. Daher ist es schlau, vorher darüber nachzudenken, was auf den Tisch kommen soll. Trauer-now hat dazu mit dem (Fernseh-)Koch, Autor und Musiker Vincent Klink gesprochen. Der Genussmensch, der nach wie vor in Stuttgart in seiner „Wielandshöhe“ hochmotiviert am Herd steht, liebt es nicht nur die Gaumen seiner Gäste zu überraschen, sondern ist zudem auch bekennender Friedhofs-Fan.
Interview mit Vincent Klink
Wie oft waren Sie schon auf Beerdigungen mit Leichenschmaus und was ist davon in Erinnerung geblieben?
Nicht sehr oft. Bei einer Witwe habe ich beobachtet, wie der Schmaus ihr in den schweren Stunden geholfen hat. Er hat also eindeutig funktioniert.
Sollte ein Traueressen zu jeder Trauerfeier dazugehören?
Das ist sehr vom persönlichen Empfinden der Hinterbliebenen abhängig. Ich selber neige zu einem ganz kleinen Kreis. Es gibt aber auch Leute, die machen daraus ein Fest und verschaffen sich damit – salopp gesagt – eine gewisse Unsterblichkeit.
Worin sehen Sie ganz persönlich die Bedeutung des Leichenschmauses?
Der Leichenschmaus dient dazu, den Trauerfall zu entkrampfen. Ich konnte beobachten, dass mit dem Leichenschmaus alles ein bisschen lockerer wird. Oft ist er im Testament verankert, weil der Verstorbene wünscht, dass die Trauergäste Freude empfinden sollen statt in Trauer zu versinken.
Welche Empfehlungen haben Sie, damit die Trauerfeier geschmackvoll durch den Magen geht?
Ich bin nicht dafür, das Ganze gourmetmäßig aufzublasen. Eher umgekehrt: etwas möglichst Einfaches machen. Ich habe mein Testament noch nicht geschrieben. Aber wenn ich das irgendwann demnächst tue, wird da drinstehen: Es muss ein Gericht geben, das in Schüsseln auf den Tisch kommt. Also meinetwegen ein Gulasch, daneben die Spätzle und vielleicht noch Kartoffelsalat. Es soll für die versprengte Verwandtschaft, die sich zu Lebzeiten nicht so oft getroffen hat, ein gemeinschaftliches, geselliges Erlebnis sein.
Was halten Sie davon, dass nicht der Verstorbene entscheidet, was auf den Tisch kommt, sondern die Hinterbliebenen, denen es ja schließlich schmecken muss?
Die Einzelheiten müssen schon die Hinterbliebenen festlegen. Man sollte nur einen Rahmen vorgeben, bei mir wird das jedenfalls so sein. Wie gesagt: Es sollen Schüsseln auf den Tisch kommen. Was da drin ist – egal. Und: Ich habe für euch 6.000 Euro zurückgelegt, extra für dieses Fest. Ihr müsst das nicht alles aufessen, ihr könnt auch schon bei 4.000 aufhören. Aber ihr sollt wissen, es geht großzügig zu.
Kochen Sie selbst manchmal für Trauergesellschaften?
Wir haben das schon gemacht, allerdings selten. Dafür ist ein Gourmet-Restaurant nicht gut geeignet. Das Geld würde hier womöglich für Leute ausgegeben werden, die gar keine Affinität zum Essen haben. Man sollte lieber was Einfaches anbieten und davon jede Menge. Man darf da keine Hemmschwellen aufbauen, da die Trauergesellschaft meist aus ganz unterschiedlichen sozialen Niveaus kommt.
Welchen Stellenwert sollten schöngeistige Getränke haben?
Ich glaube, das kommt ein bisschen auf die Landschaft an. Also in Bayern oder im Süden, da gehört es schon dazu, dass man auch einen gehörigen Rausch hat. In strengeren Gegenden mit einem preußischen Grundrauschen wäre das nicht angebracht. Grundsätzlich sollte man diesen Tag mit einer gewissen Großzügigkeit feiern. Wenn einer einen über den Durst trinkt, ist das okay. Da hat er seinen Kummer eben einfach weggesoffen. Früher war das häufiger so. Als Kind hat mir mein Vater erzählt, dass sie eine Witwe fast heimtragen mussten, weil sie so angeschnasselt war.
Sie sind auch ein Musikliebhaber, spielen selbst Instrumente. Welche Rolle sollte Musik beim Trauerdinner bzw. bei der Trauerfeier spielen?
Beim Essen finde ich Musik grundsätzlich nicht angebracht, das ist überhaupt nicht mein Ding. Wenn sich die Hinterbliebenen treffen, ist der Geräuschpegel auch ohne Musik schon gewaltig. Was allerdings bei der Beerdigung den Rahmen etwas anhebt, ist ein kleines Musikstück.
Welches Musikstück läuft auf Ihrer Trauerfeier?
Auf meiner Trauerfeier gibt es keine Musik. Und auch keinen Popanz und nichts drum herum. Kurz, klein und nur für die wirklich Betroffenen.
Würden Sie wollen, dass jemand – aus welchen Gründen auch immer – nicht bei Ihrem Beerdigungsessen an der Tafel sitzt?
Bei mir könnte jeder an der Tafel sitzen. Wenn man in den Himmel auffährt, hat man seinen Feinden zu verzeihen, wie auch umgekehrt diese dem Verstorbenen verzeihen müssen. Diese Kultur des Verzeihens halte ich für eine sehr wichtige, die leider zurückgeht.
Sie lieben Friedhöfe. Woher kommt diese Liebe und wie äußert sie sich?
Friedhöfe sind ein ganz eigener Kosmos, es ist der friedlichste Ort der Welt. Auf dem Friedhof herrscht einfach Frieden. Es ist auch ein magischer Ort der Konzentration für mich. Der Besuch eines Friedhofs ist wie ein Gebet. Sich an einen Grabstein zu setzen und ein Buch zu lesen, das kann ich nur empfehlen. Ich bin ein richtiger Friedhofs-Fan. Egal, wo ich bin – ich messe eine Stadt an ihren Friedhöfen.