Logogestaltung: Sophie Wetterich
10. März 2021
Erste-Hilfe-Kurse sind weit verbreitet. Viele Menschen haben selbst schon daran teilgenommen und sind mit den Inhalten vertraut. Der Nutzen ist bekannt und akzeptiert: präventiv erlernen die Teilnehmer:innen Methoden und Techniken, die im Ernstfall Handlungsoptionen aufzeigen und die vorab unter professioneller Anleitung geübt werden können. Es werden Kurse für Erwachsene oder Kinder gestaltet, es gibt Angebote für konkrete Anwendungsfelder wie zum Beispiel im Straßenverkehr oder in der Kinderbetreuung und oft ist die Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs verpflichtend, um in bestimmten Berufsfeldern zu arbeiten oder einen Führerschein zu machen.
Angebote für „Letzte-Hilfe-Kurse“ sind allerdings noch nicht so bekannt. Schade eigentlich – zeigen sich hier jedoch sehr ähnliche Vorteile! Wie hilfreich wäre es, schon früh und ganz selbstverständlich zu erlernen, wie wir mit der eigenen Trauer umgehen, wie wir sterbende Menschen begleiten und unterstützen können oder wo wir im Ernstfall Hilfe finden. Schon Kinder würden vorgelebt bekommen, dass Sterben und Tod zum Leben dazugehören und könnten ihre Fragen dazu im geschützten Rahmen loswerden. Auch am Arbeitsplatz würde das Kollegium für den Umgang mit individueller Trauer sensibilisiert werden, was das Tabu minimiert, offen über eventuelle Sterbefälle zu sprechen.
Im Studium arbeiten wir an Konzepten wie diesen „Letzte-Hilfe-Kursen“, die Sterben, Tod und Trauer zurück in die Gesellschaft bringen. Viele Personen kommen mit diesen Themen erst dann in Kontakt, wenn sie selbst betroffen sind – wenn zum Beispiel ein lieber Mensch krank wird oder verstirbt. Oft fühlen sich Zugehörige in diesen Ausnahmesituationen überfordert und hilflos. Ein Ansatz, um konkrete Handlungsoptionen aufzuzeigen, wäre die präventive Vermittlung von Grundlagenwissen zu Sterben, Tod und Trauer in der breiten Gesellschaft. So wäre jede:r Einzelne von uns besser auf persönliche Schicksalsschläge vorbereitet und es würde leichter fallen, Familie, Freunden, Nachbarn oder Kollegen in ihrer Trauer beizustehen. Ganz selbstverständlich!
19. März 2021
„Die Deutschen trauern lieber still und zurückgezogen“… hieß es in einer Vorlesung. Was mich an dieser Aussage stutzig machte, war das Wort „lieber“. Es suggeriert, dass wir die Art, wie wir trauern, bewusst wählen könnten und uns die Variante heraussuchen würden, die uns am meisten dient. Aber stimmt das?
Wie wir trauern ist Ausdruck unserer Persönlichkeit, unserer Erziehung und Sozialisierung. In Deutschland gilt es oft als Tabu, konkret über Sterben und Tod zu sprechen. Meist wird der Tod selbst umschrieben. „Tante Elsa ist eingeschlafen“ oder „…von uns gegangen“. Vielerorts gibt es klare Richtlinien, nach denen Abschied und Beisetzungen stattfinden. Kinder werden von diesen Themen zumeist aus einem Schutzgefühl heraus ferngehalten, auch ich durfte nicht mit auf die Beerdigungen meiner Großeltern. Der Habitus einer stillen und zurückgezogenen Trauer scheint mir daher eher das Ergebnis großer Unsicherheit und fehlender Berührungspunkte mit Tod und Trauer zu sein, als eine bewusste Wahl der besten Option, mit einem erlittenen Verlust umzugehen.
In Momenten großer Trauer greifen wir auf bekannte Verhaltensweisen und gelernte Muster zurück – wer schon als Kind erlebt hat, dass Trauer hinter geschlossenen Türen und mit einem klar definierten Ablauf stattfindet, wird es schwierig finden, es selbst anders zu machen. Viele Menschen bereuen im Nachhinein, nicht so Abschied genommen zu haben, wie sie es gebraucht hätten. Oft, weil sie nach dem Tod der ihnen wichtigen Person keine Idee davon hatten, welche individuellen Lösungen möglich sind. „Hätte ich gewusst, dass das geht…“ lese ich immer wieder unter den Beiträgen von Bestattungsunternehmen und Begleiter:innen, die bei facebook oder auf ihrer Webseite Einblicke in ihre Arbeit geben.
Ich wünsche mir, dass Menschen schon vor ihrem Tod mit ihren Zugehörigen sprechen, wie ein Abschied aussehen kann, und das Trauernde von Bestatter:innen oder Pflegepersonal aktiv auf individuelle Möglichkeiten zur Abschiednahme hingewiesen werden. Denn nur dann kann eine „stille und zurückgezogene Trauer“ wirklich eine passende Wahl sein – als eine Option unter Vielen.
29. März 2021
Schon bald beginnt die Bewerbungsphase für den nächsten Master-Jahrgang in den Perimortalen Wissenschaften an der Universität Regensburg. Wir Studierende wurden gefragt, ob wir dafür kurze Videobotschaften für interessierte Personen aufnehmen können. Was gefällt uns am Studium, was zeichnet es aus? Und wieso würden wir es weiterempfehlen? Große Fragen für Beiträge mit einer Laufzeit von 20 Sekunden! Die wichtigsten Stichpunkte waren jedoch schnell niedergeschrieben: „Interdisziplinäre Lehre“ stand da auf meinem Zettel, gleich neben „Trauer ernst nehmen“ und „mitgestalten können“.
Die Essenz aus diesen drei Punkten macht das Studium für mich aus: Trauer und Sterben sind komplexe Themen, daher ist es sinnvoll, möglichst viele Blickwinkel und Aspekte in der Lehre aufzugreifen. Expert:innen aus Religionswissenschaften, Ethik, Medizin und Recht (um nur einige zu nennen) zeigen auf, dass Sterben zu allen Bereichen des Lebens dazugehört – und sich auch die Trauer in verschiedensten Facetten zeigt. Das Tabu rund um diesen Themenkomplex sollte durch einen offenen und reflektierten Umgang damit gebrochen werden. Über Trauer, Tod und Sterben wird meist ungern gesprochen, die Wissenschaften und Erkenntnisse dahinter werden oft nicht ernst genommen. Ein Master-Studium kann persönliches Erleben und fachliche Expertise nicht ersetzen – aber grundlegend ergänzen und ein Basiswissen vermitteln. Davon profitieren sowohl Menschen, die sich aus persönlichem Interesse anmelden, als auch die Studierenden, die ihr berufliches Fachwissen entsprechend erweitern wollen. Und all diese Menschen tragen diese Kompetenzen in ihr Umfeld, sind Fürsprecher:innen und Gestalter:innen einer neuen Trauerkultur.
Der Studiengang ist noch jung und wird sich weiterentwickeln: In den kommenden Semestern werden Themen ergänzt, Inhalte angepasst und Schwerpunkte neu justiert werden. Dies ist eine große Chance für Menschen, die mitgestalten wollen, wie wir zukünftig als Gesellschaft aber auch ganz individuell mit Sterben, Tod und Trauer umgehen wollen.
Den Videobeitrag mit den Statements einiger Studierender gibt es übrigens hier zu sehen https://www.youtube.com/watch?v=naJ08UWzVw4
Sarah Zinn / Autorin, Medienschaffende und Studentin der PERIMORTALEN WISSENSCHAFTEN/Universität Regensburg
https://www.uni-regensburg.de/theologie/moraltheologie/perimortale-wissenschaften-ma/index.html