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„Friedhofsgeschichten – Ute“ ⑦

Unsere Autorin Louise Brown trifft Ute auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg. Im Gemeinschaftsgarten für Mensch und Tier sind Beisetzungen von Menschen und ihren Haustieren möglich. Hier besucht Ute ihren Mann – und hier soll eines Tages auch ihr Hund liegen.

„Friedhofsgeschichten – Ute“ ⑦
© Louise Brown

Im November 2021 ist mein Mann Karsten Dinse gestorben. Ich hatte einen Beitrag über den Friedhof für Menschen und ihre Haustiere im Fernsehen gesehen und dachte: Warum nicht? Ich habe ja einen so süßen Hund – einen Mops, der kommt überall mit. Dem soll es gut gehen, bis zum Schluss. Meine Freunde finden die Idee super, dass mein Mann und mein Hund hier liegen werden. Sie haben das voll akzeptiert.

Ich mag es, dass die Gräber hier individueller gestaltet sind, dass auf einigen Steinen „Familie“ steht und ein Tier offenbar zur Familie dazugehört. Tiere haben eine besondere Verbindung mit ihren Besitzern. Die Menschen lieben ihre Tiere, so wie sie sind. Ich habe hier eine Frau getroffen, die lebt in Berlin und kommt hierher, um ihren Hund zu besuchen.

Ein Grabstein als Denkmal

Der Stein für meinen Mann ist fast so, wie er ursprünglich war. Wir haben ihn nur ein bisschen gekürzt. Dort, wo er heller ist und es einen kleinen Schleier gibt, ist Muschelkalk. Mein Mann und ich waren gerne an der Nordsee. Der Stein wurde gebrochen, man sieht noch die Bruchkante. Der Steinmetz war glücklich, dass ich das so sah wie er und ich die Kante sichtbar ließ. Das war mir wichtig.

© Louise Brown

Der Stein ist für mich ein Denkmal. Er repräsentiert meinen Mann als Person. Er war groß und kräftig, patent und menschenfreundlich. Er hat bei der Bank gearbeitet, hat dort Erste-Hilfe-Kurse organisiert und eine Art Mini-Krankenstation für die Banken damals am Alten Wall eingerichtet. Er war auch sensibel. Die Menschen sind zu ihm zum Gespräch gekommen. Als junger Mann ist er ehrenamtlich Rettungswagen gefahren.

Das Grab als Verbindung zur geliebten Person

Mein Mann und ich haben uns so geliebt und waren sehr eng. Nach seinem Tod ist es, als wäre man auseinandergerissen worden. 2021 kam er nach Hause und sagte, „Ich habe einen Schlaganfall.“ Bei der Untersuchung hatte er eine Hirnblutung, er konnte nichts bewegen, war aber hellwach. Sein Tod ist das Schlimmste, was mir je im Leben passiert ist. Ich bin jeden Tag traurig. Manchmal bin ich zwischendurch nur verzweifelt. Dann denke ich, ich habe es wenigstens gehabt: Ich bin im Leben geliebt worden. Ich war für ihn das, was er für mich war.

Kennengelernt haben wir uns 1985 über die Bank. Erst haben wir nur zusammengearbeitet, dann waren wir befreundet. Wir hatten immer die gleichen Interessen. Wir waren in zweiter Ehe verheiratet, 30 Jahre waren wir zusammen. Ich glaube daran, dass das Leben uns zusammengeführt hat.

© Louise Brown

Ich komme jeden Sonntag her. Es ist das Letzte, was ich für ihn tun kann: mich um sein Grab zu kümmern. Ich habe für ihn einen der letzten Plätze auf dem Friedhof bekommen, am Baum und im Grünen. Was ich für ihn tun kann, das tue ich. Er hat es hier schön. Das ist wichtig für mich: Das am Ende alles gut ist.

Ein guter Platz – auch für Onno, den Mops

Mein Mops heißt Onno, das ist ein ostfriesischer Name. Ich hatte zuhause hin und wieder darüber gesprochen, wie gerne ich einen Mops hätte. 2011 machte dann mein Mann einen Termin bei der Züchterin. Als die Mopswelpen über die Wiese liefen, war ich sturzverliebt. Danach fuhren wir nach Hause mit einem Welpen auf der Rückbank.

Mein Mann hat mit Onno alles gemacht. Der Hund war fast nie allein. Wir sind mit ihm zusammen verreist. Heute ist der Hund mein Ein und Alles. Ich möchte, dass er hier begraben wird. Es würde mir das Herz brechen, wenn Onno nicht hierherkommen würde. Ich möchte keine Trauerfeier, ich möchte nur, dass wir eines Tages alle drei hier zusammen sind.

© Louise Brown

Ich finde eine Erdbestattung schön, diese eigentlich kindliche Vorstellung, dass die Verstorbenen so liegen, als würden sie schlafen. Wie bei meinem Mann wird es aber auch bei mir eine Urnenbeisetzung. Die Tiere werden hier sowieso in der Urne bestattet. Dann gilt gleiches Recht für alle.

Es gibt mir ein gutes Gefühl zu wissen, wo ich hinkomme. Das ist für mich ganz wichtig, dass alles ein gutes Ende hat.

Autorin: Louise Brown, geboren 1975 in London, ist Journalistin und auch als Trauerrednerin in Hamburg tätig. Dort moderierte sie das erste ›Death Café‹. In ihrem PodcastMeine perfekte Beerdigung‹ spricht sie mit Menschen darüber, wie sie einmal verabschiedet werden wollen. 2021 erschien im Diogenes Verlag ihr Buch ›Was bleibt, wenn wir sterben‹, 2023 ihr Trauerjournal ›Was bleibt, wenn wir schreiben‹.

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