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Erinnern teilen

Friedhöfe sind keine statischen Orte. Sie reagieren auf die sich ändernden Bedürfnisse einer sich stetig wandelnden Gesellschaft. Mit dem Raum „Erinnern teilen“ entstand im „Campus Vivorum“ ein geschützter, jedoch jederzeit für das Miteinander mit anderen Menschen einladender und von konkreten Beisetzungsorten losgelöster Raum für menschliche (Trauer-)Situationen ganz unterschiedlicher Art.

Erinnern teilen

© Initiative Raum für Trauer

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Der Artikel ist zuerst im Magazin Friedhofskultur – Ausgabe 05/2024 erschienen

Viele Menschen leben heute multilokal, an mehreren Orten oder weit entfernt von ihren Familienangehörigen. Friedhöfe entlang dieses gesellschaftlichen Wandels zu positionieren und sie in ihrer Konzeption, Planung, Gestaltung und Struktur sowie ihrer räumlichen Organisation den Ansprüchen und Bedürfnissen dieser Menschen anzupassen, ist (mit-) entscheidend für ihre Zukunft.

Individuelle Angebote schaffen

Auf Friedhöfen treffen Menschen mit verschiedenen Erwartungen, in unterschiedlichen emotionalen Zuständen oder individuellen Befindlichkeiten und mit verschiedenen Bedürfnissen aufeinander. Die Anforderungen und Verhaltensweisen dieser Menschen unterscheiden sich. Sie nehmen Friedhöfe unterschiedlich wahr.

Die Räume des Erinnerns schaffen auf Friedhöfen Angebote, bei denen Menschen verschiedener gesellschaftlicher oder religiöser Gruppen – allein oder gemeinsam mit anderen – auch ohne konkreten Beisetzungsort ihre Empfindungen durch persönliche oder kollektive Handlungsweisen und unterschiedliche Handlungen zum Ausdruck bringen können.

Diese Räume bieten den Menschen durch ihre Gestaltung Schutz und Geborgenheit und sind dennoch offene Räume, in denen sich Menschen begegnen und austauschen können; Brückenorte des Trauerns und des Erinnerns, die Geborgenheit ausstrahlen, an denen sich Menschen allein oder gemeinsam wohlfühlen und sich gerne aufhalten.

Menschen in für sie schwierigen Lebenssituationen oder Menschen, deren Angehörige an anderen Orten beigesetzt wurden, erhalten hier die Möglichkeit, ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen. Gemeinschaftliche Rituale, bei denen sie mit anderen interagieren, erlauben es ihnen, trotz Schmerz, Leid und Desorientierung ihren Lebenswillen und positive Aneignungskräfte wiederzufinden. Gemeinschaftliche Handlungen, bei denen sich Menschen mit gleichem Schicksal begegnen, haben eine hohe Bedeutung und haben den Vorteil, dass Menschen bei Bedarf leichter miteinander Kontakt aufnehmen können.

© Initiative Raum für Trauer

Ein Ort für den persönlichen Abschied

Den Raum „Erinnern teilen“ im „Campus Vivorum“ in Süßen umfasst eine allseitig umlaufende Mauer aus unterschiedlich starken, an ihrer Sichtseite bruchrauen, geschichteten Platten aus „Stainzer Hartgneis“. Die Mauer ist nur an ihren Schmalseiten durch kleine Eingangsbereiche unterbrochen. Auf einer Seite schaffen viele kleine Öffnungen im Mauerwerk einerseits die Möglichkeit eines geschützten (Aus-)Blicks, andererseits ermöglichen sie einen (Ein-)Blick auf das Geschehen in dem Raum. In der Mitte des mit kleinformatigem Kies befestigten Raums spendet ein einzelner Baum den notwendigen Schatten. An einer Seite lädt eine mit demselben Material abgedeckte Steinbank zum Verweilen ein.

© Initiative Raum für Trauer

In den umlaufenden Mauern sind kleine, aus der Mauer vorspringende Plattformen oder in die Mauer zurückgesetzte Nischen untergebracht, die den Menschen die Möglichkeit bieten, Kerzen, Blumen oder kleine Andenken abzustellen. In den Wänden befinden sich zusätzlich Vorrichtungen, um Kränze oder Blumengebinde aufzuhängen.

Ein tischhoher mit feinem Sand gefüllter kubischer Behälter ist vor einer Wand platziert. Hier können die Besucher mitgebrachte Kerzen abstellen oder mit Gegenständen und dem Sand spielen. Eine in dem Sandbett liegende große Schale aus Metall bietet die Möglichkeit, kleine Zettel oder Briefe gemeinsam oder auch allein zu verbrennen. Auf einer Schiefertafel können mit Kreidestiften Botschaften hinterlassen werden.

© Initiative Raum für Trauer

Raum für Trauer

Gerade heute suchen Menschen verstärkt Möglichkeiten, an Gedenk- und Erinnerungsorten ihrer Trauer Ausdruck zu geben, eine persönliche Botschaft zu hinterlassen, etwas selbst zu tun oder an dem Tun anderer Menschen teilzuhaben. Hier können sie – wann immer sie es wünschen – in einem geschützten und dennoch einladenden Raum eine Botschaft – in welcher Form auch immer – hinterlassen.

Im Mittelpunkt dabei steht ein jederzeit für jedermann zugängliches Angebot zum spontanen und individuellen Handeln, das einerseits zum persönlichen Meditieren und Erinnern, aber auch zur Teilhabe am Schicksal anderer Menschen einlädt.

Autoren: Sarah Czasny und Willy Hafner, Initiative Raum für Trauer
Informationen unter www.raum-fuer-trauer.de, Besichtigungen auf Anfrage: info@raum-fuer-trauer.de

 

Hier finden Sie den Originalartikel zum Download:
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