Ein Ort, so individuell und vielfältig wie die Trauer
Es gibt keine Blaupause, keine eins-für-alle-Lösung, wenn es darum geht, was Menschen in Trauer helfen kann. Zudem können sich Bedürfnisse über die Zeit ändern. Was heute gut tut, kann in einigen Jahren vielleicht anderen Wünschen weichen. Wie Beisetzungsorte diesen Anforderungen gerecht werden können, wird im Campus Vivorum sichtbar. Für trauernde Menschen stehen zumeist die individuellen Beisetzungsorte im Mittelpunkt. Der Campus Vivorum zeigt Optionen auf, gibt Inspiration und lädt zum Entdecken ein. Erd- oder Urnenbestattung, individuell oder gemeinschaftlich: An verschiedenen Beispielen können Besucherinnen und Besucher erforschen, welche Beisetzungsart und -ausgestaltung zu ihren Ansprüchen, Bedürfnissen und Gewohnheiten passt. Allen hier gezeigten Grabvarianten ist eines gemeinsam: Hinterbliebene erhalten hier einen Rahmen für individuelle Trauerhandlungen, ohne eine Grabpflege durchführen zu müssen. Ein kleines Detail in der Gestaltung des Experimentierfeldes lädt dabei zu einer besonderen Reflexion ein. Was, wenn Zugehörige nicht direkt entscheiden müssten, wo die Urne eines lieben Menschen ihren Platz finden soll? Wenn es einen Ort auf dem Friedhof gäbe, an dem die Urne in angemessener Umgebung eine gewisse Zeit verweilen kann, um durchzuatmen und zur Ruhe kommen zu können– bis dann der passende Beisetzungsort gewählt wird? Räume wie diese, die Menschen in ihren Abschiedsprozessen begleiten und ihre Emotionen ernst nehmen, können Wegbereiter sein für einen neuen Umgang mit Trauer und Verlust – und sind oft mit einfachsten Mitteln und geringem Einsatz realisierbar.
„Ach, das kann man machen?“ – Der Campus Vivorum als Gesprächsimpuls
Viele Menschen, die die Beisetzung einer ihnen lieben Person planen, wissen nicht, welche Vorstellungen und Wünsche der Partner, die Großmutter oder der beste Freund zu Lebzeiten für die eigene Bestattung hatte. Zugegeben: Die Frage „Wie möchtest du einmal beigesetzt werden?“ geht den wenigsten von uns leicht über die Lippen. Und gleichzeitig steht „Meine eigene Beerdigung planen“ relativ selten auf den To-Do-Listen der Menschen. Sicherlich auch, weil wir im Alltag ohne eine eigene Betroffenheit kaum mit Fragestellungen wie diesen in Kontakt kommen. Auf dem Campus Vivorum schlendern Menschengruppen durch die einzelnen Bereiche, betrachten auch die Grabgestaltungen, halten immer wieder inne, um besondere Details in den Blick zu nehmen und tauschen sich über eigene Vorlieben aus. Bei einem besonders individuellen Erinnerungsfeld stehen zwei Frauen. „Ach, das kann man machen?“ sagt die eine zur anderen. Ich spreche die beiden an. Es sind Mutter und Tochter, die das Experimentierfeld gemeinsam begehen. Was ihnen besonders gefällt, frage ich. „Wir interessieren uns eigentlich für Gartenbau und wollten uns einmal anschauen, was hier entsteht.“ sagt die Mutter. Die Tochter lacht und fügt hinzu „Und jetzt reden wir aber die ganze Zeit darüber, welche Grabgestaltung wir uns für die eigene Beisetzung vorstellen könnten.“ Ob es denn das erste Mal sei, dass sie über die eigene Beisetzung reden? Die beiden schauen sich kurz an. „Naja – nach dem Tod meines Mannes vor einigen Jahren haben wir schon mal gesagt, dass es gut wäre, hier besser vorbereitet zu sein. Aber irgendwie haben wir nie den richtigen Moment gefunden. Es war immer unentspannt und komisch.“ Die jüngere Frau ergänzt: „Hier fällt das Gespräch darüber aber leicht. Weil wir uns an dem, was wir sehen, entlangleiten lassen können. Und es ist so schön konkret! Ich kann sagen: Das finde ich toll, das weniger.“
Schulterschluss mit Gleichgesinnten und Gestaltern
Der Campus Vivorum geht einen wichtigen Schritt hin zu einem integrativen, weitergedachten Umgang mit Trauer und Abschied. Er zeigt individuelle Möglichkeiten für Menschen in Trauer auf – ist aber gleichsam auch Begegnungsort und Lehrfeld für die, die Friedhöfe und Trauerorte hauptberuflich mitgestalten und zukunftsfähig ausrichten wollen. Eine Friedhofsverwalterin, die den Campus Vivorum zur Eröffnung besucht, strahlt: „Wir haben bei uns in der Kommune so viele Ideen, wie wir unseren Friedhof zukünftig gestalten wollen – in der Theorie. Und hier kann ich mich mit Menschen austauschen, die diese Veränderung schon leben. Ich erhalte Tipps und kann mir Inspiration auf dem Feld holen. Das motiviert mich total!“ Sie sei außerdem überrascht, mit welchen kleinen Schritten und Veränderungen gestartet werden könne. Der „Garten der Sinne“ habe es ihr und ihren Kollegen besonders angetan: Trauer, Verlust und Erinnern mit allen Empfindungen ansprechen zu können, sehe sie als einen großen Zugewinn. „Wir haben Besucherinnen und Besucher, die können zum Beispiel nicht mehr gut sehen. Sie erinnern sich aber genau an den Geruch des Lavendels im Frankreich-Urlaub mit ihrer verstorbenen Frau oder denken immer an ihren Mann, der den Ostsee-Strand so liebte, wenn sie die nackten Füße im feinen Sand vergraben. Es ist doch wunderbar, wenn wir diesen Erinnerungen einen Raum geben können.“